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Kennst Du das auch? Der Tageskalender ist vollgepackt, alles ist genau getaktet und dann klingelt die Nachbarin und fragt: „Könntest Du mal…?“, und Du hörst Dich „Ja, klar!“ sagen, obwohl Du „nein“ meinst? Oder Dir wird ein Kaffee angeboten, Du bist aber Tee-Trinkerin und aus Höflichkeit sagst Du „Ja, gerne!“ und weißt, das wird Dir nicht bekommen?

Offen gesagt, ich kenne das auch. Jeder hat so seine individuellen Dauerbaustellen, die ständiger Bearbeitung bedürfen und eine davon ist bei mir das „Nein – Sagen“. Vor fast 20 Jahren bekam ich im Rahmen meiner Ausbildungen einen „Nein-Joker“ von einer Kollegin überreicht. Er hängt bis heute über meinem Schreibtisch. Und das ist auch gut so! Schon mehr als einmal hat er mich vor einem übereilten „Ja“ bewahrt. Und doch entweicht mir immer mal wieder dieses unechte „Ja“, das „eigentlich“ ein „Nein“ werden sollte.

Oder ich erwische mich dabei zu schweigen, wenn ich mit etwas überhaupt nicht einverstanden bin.

Oder ich erlaube es anderen, sich in meine Angelegenheiten einzumischen.

Das zeigt, wir lernen und entwickeln uns immer weiter. Wer glaubt, man wäre irgendwann mit der Selbstsicherheit oder Selbstbehauptung endgültig „durch“, erliegt einem Irrtum. Wir können immer wieder in Situationen geraten, die uns bewusst machen, dass es noch etwas zu tun gibt in Sachen Persönlichkeitsentwicklung und wer von sich glaubt, er habe das alles schon erledigt, ist vielleicht gerade dem inneren Vermeider oder gar dem inneren Saboteur auf den Leim gegangen. Symptomatisch für diese Selbsttäuschung ist die Schuldzuweisung an andere.

So leid es mir tut: Nein, der Sohn, der überall seine Socken rumliegen lässt, die Tochter, die dem Hamster wollte, aber nie versorgt, der „Sozialintensivpartner“, der die Küche hinterlässt, als wäre es ein Schlachtfeld, nur weil er sich ein Brot geschmiert hat und der Freund, der sich übergriffig und entmündigend äußert sind nicht schuld an unserem Dilemma. Sie haben etwas gelernt. Sie haben gelernt: So kann man mit uns umgehen. Wir werden uns schon kümmern, die Socken verräumen, den Hamster füttern, die Küche putzen und Übergriffigkeiten zulassen. Wir konnten und können zu jeder Zeit „NEIN!“ sagen! Und uns entsprechend verhalten, indem wir dann nicht tun, was man von uns erwartet.

Wie oft sagen wir vielleicht: Es reicht! …und verhalten uns, wie gewohnt. Und das nicht nur zuhause, auch am Arbeitsplatz, im Verein, als Elternvertreterin und im Gemeinderat oder Kirchchor.

Dass uns dieses Wort „Nein“ solch einen Schrecken einjagt, dass wir es um die Welt nicht in dem Mund nehmen möchten hat viele Gründe. Sie alle hier aufzuzählen sprengt den Rahmen. Darum hier stellvertretend nur zwei sehr alte:

1. Wenn Mama „nein“ sagte, war das meist mit strenger Stimme und konnte blöde Folgen nach sich ziehen.

2. Als wir als 3jährige in die Trotz– oder 1. NEIN-Phase kamen, hatte das ganz bestimmt einige unangenehme Begleiterfahrungen, im schlimmsten Fall eine gefühlte Ausgrenzung. Und das hat sich das Unterbewusstsein gemerkt. Bloß nicht „nein“ sagen, dann bist Du alleine, ausgestoßen, zurückgelassen und das heißt – Du bist so gut wie tot.

Natürlich ist dem nicht so. Der Kopf weiß das, aber unser Unterbewusstsein und dieser uralte Teil unseres Reptiliengehirns weiß das eben nicht. Es reift nicht mit uns. Es verhält sich immer noch wie unsere Urahnen und die waren eben tot, wenn sie aus der Gruppe verstoßen wurden.

Somit ist „Nein“ für unser Unterbewusstsein ein sehr gefährliches Wort und Gefahren meiden wir verständlicher Weise.

Dennoch möchte ich Dich ermutigen, das „Nein“ zu üben. Hier kommen 4 einfache erste Schritte, dies zu tun:

👉 Erkenne Dein eigenes NEIN

Überlege Dir schon vor der kommenden Situation, vor dem Gespräch, was Du nicht mehr willst, was sich unangenehm anfühlt oder was Du ändern möchtest, weil es Dich überfordert.

Gib Dir selbst die Erlaubnis, Deine eigenen Grenzen zu ziehen und Nein zu sagen. Es ist Dein gutes Recht!

👉 Nimm eine stabile Haltung ein. Hebe den Kopf leicht, Schulter zurück und Blick geradeaus und sei Dir Deiner Stimme bewusst. Sprich höflich, aber bestimmt, d.h. angemessen laut und klar. Schau bei Deinem „Nein“ das Gegenüber direkt an, weiche dem Blick nicht aus.

👉 Wenn Du möchtest, kannst Du kurz erklären, warum Du „Nein“ sagst, aber entschuldige oder rechtfertige Dich nicht. Beides zeigt dem anderen Deine Unsicherheit und ermuntert, gegen Dein „Nein“ anzugehen. Es ist DEIN „Nein“ und niemand muss es verstehen.

👉 Bleibe standhaft bei Deinem „Nein“, auch wenn es nicht akzeptiert wird. Wiederhole es nochmals, wenn Du willst mit der kurzen Begründung. Bleib cool! Und behalte den festen und entschlossenen Ton bei.

🙏 Übe „Nein“ – sagen erst in kleinen, einfachen Situationen, wer Skifahren lernt, geht auch nicht sofort auf die >Streif<!

🙏 Und… bastle Dir „Nein – Joker! Sie können Dich an Dein „Nein-Training“ erinnern, bevor Dir das unechte „Ja“ durch die Lippen geflutscht ist!

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